Was ist das Reverse Charge Verfahren?
Das in der aktuellen Fassung gültige Umsatzsteuerrecht gibt an, dass der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer von seinen Kunden einzuholen und diese an das Finanzamt abzuführen hat. Allerdings gibt es bei Lieferungen innerhalb Deutschlands oder bei grenzüberschreitenden Lieferungen und bestimmten, sonstigen Leistungen innerhalb der EU eine Sonderregelung. Diese Sonderregelung wird als Reverse Charge Verfahren bezeichnet.
Definition Reverse Charge Verfahren
Unter Reverse Charge Verfahren wird die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft verstanden. Ein weiterer Begriff im Steuerrecht für dieses Verfahren ist Abzugsverfahren. Der Kunde bzw. Leistungsempfänger muss in diesem Fall die Umsatzsteuer entrichten. Folglich darf der leistende Unternehmer seinem Kunden nur eine Nettorechnung ausstellen. Auf dieser Nettorechnung muss ebenfalls auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hingewiesen werden.
Somit hat der Leistungsempfänger eine Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Finanzamt. Der Leistungsempfänger hat allerdings die Möglichkeit, den Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer geltend zu machen, insoweit er vorsteuerabzugsberechtigt ist. Bei dieser Vorgehensweise gibt es aber eine Voraussetzung:
Der Leistungsempfänger muss Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts und in grenzüberschreitenden Fällen Inhaber einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sein.
Alle Geschäftsvorgänge innerhalb der EU müssen vom Leistungsersteller in einer zusammenfassenden Meldung beim Bundeszentralamt für Steuern durch Datenfernübertragung angemeldet werden.
Wie funktioniert das Reverse Charge Verfahren in der Praxis?
Das Verfahren wird normalerweise bei grenzüberschreitenden Lieferungen und/oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet bei steuerpflichtigen sonstigen Leistungen angewendet.
In der Praxis geht man folgendermaßen vor: Eine in Deutschland ansässige Firma verkauft an einen niederländischen Kunden Waren im Wert von 5.000 Euro. Aufgrund der Verfahrensanwendung wird die Rechnung an den niederländischen Kunden netto und mit dem Hinweis Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers erstellt. Die niederländische Firma zahlt die Umsatzsteuer nun direkt an das niederländische Finanzamt. Die abgeführte Umsatzsteuer wird im letzten Schritt von der niederländischen Firma als Vorsteuer geltend gemacht.
In Deutschland ist das Verfahren unter anderem für Werklieferungen die der Herstellung, Instandsetzung und -haltung oder der Änderung/Beseitigung von Bauwerken dienen im Einsatz. Des Weiteren wird das Verfahren für Werklieferungen eines im Ausland ansässigen Unternehmens, wenn die Lieferungen in Deutschland steuerbar sind vorgesehen. Auch bei Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände, von Grundstücken, von Metallen wie zum Beispiel Gold oder Gas und Elektrizität eines im Ausland ansässigen Unternehmens, findet das Verfahren Anwendung.
Vorteile der Anwendung
Welche Vorteile haben Unternehmen nun in der Praxis mit dem Verfahren? Der Leistungsersteller spart sich viel Arbeitsaufwand, da er die Geschäftsvorgänge nicht beim Finanzamt angeben muss. Dadurch braucht sich sein Kunde auch nicht an das deutsche Finanzamt wenden, was wiederum eine Zeitersparnis bedeutet. Aus Sicht des Finanzamts hat das Verfahren den Vorteil, dass Steueransprüche im Ausland nicht mehr vollstreckt werden müssen.